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Lauren Greenfield ist 1966 in Boston geboren. Die Fotografin und Filmemacherin gilt als Chronistin von Jugendkulturen, Geschlechterrollen und Konsumismus. Sie hat mehrere Fotobände veröffentlicht und Dokumentarfilme gedreht. Für THE QUEEN OF VERSAILLES wurde sie mit dem Preis für die beste Dokumentarfilmregie auf dem Sundance Film Festival ausgezeichnet. Ihr Werbefilm LIKE A GIRL wurde mit zahlreichen Preisen bedacht. Die begleitende Ausstellung zu ihrem 2017 erschienenen Bildband „Generation Wealth“ eröffnete im Annenberg Space for Photography in Los Angeles und zog anschließend in das International Center of Photography in New York. Aktuell sind die Fotografien im Fotomuseum in Den Haag zu sehen, ehe sie nach Kopenhagen und Hamburg weiterreisen.
Seit ihrem Erstlingswerk „Fast forward: Growing up in the shadow of Hollywood“ sind Materialismus und Schönheitswahn die Themen von Greenfields Bildern, Büchern und Filmen. In THIN porträtierte sie Frauen mit Essstörungen, „Girl Culture“ untersuchte Eigen- und Fremdwahrnehmung von Mädchen in einer übersexualisierten Gesellschaft. KIDS + MONEY begleitete Amerikas Jugend beim Shoppingtrip auf der Suche nach dem Glück.
Filmografie:
2006 Thin
2008 Kids+Money (Kurzfilm)
2011 Beatuy Culture (Kurzfilm)
2012 The Queen of Versailles
2015 The Bling Dynasty (Dokumentarfilmserie)
2018 Generation Wealth
Regiekommentar:
„Jeder will reich sein“, sagte mir einst der amerikanische Timesharing-Milliardär David Siegel in meinem Film THE QUEEN OF VERSAILLES. „Wenn sie nicht reich sein können, wollen sie sich reich fühlen – und wenn sie sich nicht reich fühlen wollen, dann sind sie wahrscheinlich tot.“ Und als er hinzufügte: „Geld macht dich nicht glücklich, es macht dich nur unglücklich in dem besten Viertel der Stadt“ – inspirierte er mich zu einem tieferen Blick in das, was ich den Einfluss des Überflusses nenne und was schlussendlich zu meiner Arbeit GENERATION WEALTH führte.
Wenn Amerikas höchster Staatsdiener – der Präsident – ein Immobilienhai und Reality-TV-Star ist, dessen Penthouse einen 24 Karat Gold Anstrich hat, würde ich sagen, dass wir den kapitalis- tischen Kapitalismus erreicht haben. Im Grunde hat meine Nation, und damit der Rest des Wes- tens – wenn nicht die ganze Welt, ihren moralischen Kompass verloren. Unser Verlangen zu konsumieren zehrt an uns. Wir haben immer das Gefühl, dass wir so wie wir sind, nicht richtig sind, dass wir mehr brauchen, dass wir mehr kaufen müssen, dass die anderen glücklicher sind. Angetrieben von der suchterzeugenden Natur der Populärkultur vergleichen wir uns mit Prominenten, mit denen wir mehr Zeit verbringen, als mit unseren eigentlichen Nachbarn.
Es ist alles die Schuld von Instagram, richtig? Nun, nein. Als Fotografin und Filmemacherin habe ich seit den 90er Jahren Fragen zum Materialismus, zum Kult um Prominente und zum Präsenta- tionsstatus gestellt. Für mein erstes Buch „Fast Forward: Aufwachsen im Schatten von Holly- wood (1997)“ untersuchte ich den frühen Verlust der Unschuld in unserer mediengesättigten Kultur. Dieser Drang, Jugendkultur, Geschlecht und Konsum zu beschreiben, war der gemein- same Nenner in all meinen späteren Projekten, entweder durch Fotografie („Girl Culture“) oder Dokumentarfilme (THIN, KIDS + MONEY und THE QUEEN OF VERSAILLES).
Erst in der globalen Finanzkrise von 2008 wurde mir klar, dass die Geschichten, zu denen ich mich hingezogen fühlte, Teil einer gemeinsamen Erzählung waren. Einige prominente Charakte- re schienen die gleichen Fehler zu machen und unheimliche ähnliche Konsequenzen zu erleiden. David Siegel und seine Frau Jackie (THE QUEEN OF VERSAILLES) machten sich daran, das größ- te Haus in Amerika zu bauen, was aber letztendlich zwangsversteigert wurde; Playboy- Hedgefonds-Manager Florian Homm fand sich ohne Bankkonto und auf der Flucht vor dem FBI wieder; die vom Cheerleader zum Pornostar avancierte Kacey Jordan, berühmt für ihre 36- stündige Party mit Charlie Sheen, rutschte in Abhängigkeit und dann in den Bankrott.
Für mich war die Finanzkrise wie eine zutiefst moralische Angelegenheit und ich fühlte mich dazu gedrängt, sie zu dokumentieren. GENERATION WEALTH ist das Endergebnis von drei Jahrzehnten Arbeit und die Erkenntnis, dass keiner von uns immun ist gegen die süchtig machende Natur unserer Konsumkultur – mich eingeschlossen. Ursprünglich geplant als Buch, bearbeitete ich im Laufe meiner Karriere mehr als eine halbe Million Bilder, nahm mehr als 50.000 neue Bil- der auf und führte über 500 Interviews. In der Mitte der Arbeit am Buch „Generation Wealth“ habe ich beschlossen, daraus auch einen Dokumentarfilm zu machen.
Gibt es ein Muster, eine Erkenntnis? Meine eigene Arbeitsmoral war obsessiv geworden. Je mehr ich hatte, desto mehr wollte ich, und je mehr ich dachte, dass ich es brauchte, ging dies oft auf Kosten meines wertvollen Familienlebens.
Mein Verhalten war ein Nebenprodukt der gesellschaftlichen Probleme, die die Menschen, die ich dokumentierte, betrafen. Ihre Triebe und Ambitionen waren zerstörerischer als meine, aber es gab eine bestimmte Parallele hinsichtlich des Suchtverhaltens. Ich jagte nicht Geld oder dem perfekten Körper nach, aber ich war immer auf der Suche nach mehr und mehr. Arbeit (und damit Erfolg) ist eine Sucht wie jede andere. Mehr oder weniger folgen wir einem giftigen Traum und tanzen mit Hingabe auf dem sinkenden Deck der Titanic.
Wie die Menschen in GENERATION WEALTH habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Obwohl ich alles hatte, was ich brauchte, hatte ich immer noch nicht das Gefühl, genug zu haben. Aber ich entdeckte auch, dass es unmöglich ist, das Verlangen nach etwas zu stillen, das man nicht hat. Das ständige Streben nach mehr ist unendlich und bringt uns dazu, die Dinge zu opfern, die am wichtigsten sind: Familie, Gemeinschaft, Prinzipien, Wohlbefinden.