Visions du Réel, Nyon / Switzerland (World Premiere)
»Die Stimme des Dichters und Häftlings Stanley „Spoon“ Jackson […] liest Ausschnitte aus seiner Autobiografie »By Heart«, während im Zwischenschnitt Bilder einer in reiner amerikanischer Mythologie getränkten Welt erscheinen, die in der brutalen Realität der rücksichtslosen Finanzpolitik untergeht. Barstow, California ist wahrlich die andere Seite des amerikanischen Traums.« Giona A. Nazzaro (Visions du Réel – Nyon)
Duisburger Filmwoche / Germany (Deutsche Premiere – ARTE Dokumentarfilmpreis)
»Meine Haut fühlt sich warm und lebendig an, diesen September in San Quentin. Als wäre ich eine Eidechse, die sich auf einem großen Stein sonnt.« Das sagt die Stimme des Dichters und Häftlings Spoon Jackson, während wir auf Landschafts-bilder der sonnendurchtränkten Mojave-Wüste in Kalifornien schauen.
Der Film Barstow, California (der Geburtsort von Spoon Jackson) ist sowohl ein ergreifendes Portrait der kalifornischen Wüste und des in ihr eingeschriebenen Lebens als auch eine Begegnung mit Jackson, der seit 1977 in zahlreichen Gefängnissen in lebenslanger Haftstrafe einsitzt. Komers lässt Jackson Passagen aus dessen Autobiographie verlesen, die wir im Off hören, ohne ihn selbst je ins Bild zu bringen.
Stattdessen sehen wir eine virtuose und überraschende Kollage von kinematographisch eindrucksvollen Landschafts-bildern der Gegend, in der Jackson seine kurze Kindheit und Jugend verbrachte. Diese wird uns mitunter vorgestellt von zwei der 14 Brüder Jacksons, die in Freiheit leben und Auskunft geben über eine Familiengeschichte, die geprägt ist von Armut, Gewalt, Einsamkeit und Rassismus. All das wird verhandelt, ohne je ins Zentrum gerückt zu werden: So entsteht ein Bild von Spoon Jackson aus kleinen und kleinsten Teilen, die nie zu eindeutig, nie zu klar, nie zu einfach sich zueinander fügen und gerade darin den Mensch wie den Ort zum Schillern bringen. Herzlichen Glückwunsch Rainer Komers! November 2018 – Begründung der Jury: Alejandro Bachmann, Pepe Danquart, Antje Ehmann
blicke – filmfestival des ruhrgebiets – lobende Erwähnung
Unwirtliche Lebensbedingungen: Trockenvegetation, Hitzeflimmern, Wüstenstaub – hier halten die Güterzüge schon lange nicht mehr. Ein Landstrich als Projektions- und Resonanzraum für seine Bewohner wie für uns als Zuschauer; und für die stimmliche Präsenz eines Abwesenden, eines Weggesperrten. Die sprachlichen Bilder dieses Dichters verklingen nicht an den Topographien als bloße Illustrationen, sie überlagern sie, stoßen sich von ihnen ab, nur um wieder zu ihnen zurückzufinden; sie berichten von besseren Zeiten, von verlorener Unschuld, von Armut und rassistischer Unterdrückung. Rainer Komers’ Engagement für die Anerkennung des inhaftierten afroamerikanischen Lyrikers Spoon Jackson hat uns inspiriert und tief berührt. Wir möchten Barstow, California deshalb lobend erwähnen. Preisjury blicke – filmfestival des ruhrgebiets
Lichter Filmfest, Frankfurt – lobende Erwähnung
Lobend erwähnen möchten wir Rainer Komers’ ethnografisches Gedicht Barstow, California. Das dokumentarische Porträt über die kleine Stadt an der Route 66 ist ein Gesamtkunstwerk: Gedichte des Lyrikers und verurteilten Mörders »Spoon« Jackson, stimmungsvolle Aufnahmen aus der Mojave-Wüste und der Ton flirrender Gleise verweben sich zu einem filmischen Abgesang auf eine vergessene Gegend, deren glorreiche Vergangenheit nur noch in den bisweilen utopisch anmutenden Erinnerungen aufblitzt. Komers beherrscht dabei die hohe Kunst der Zurückhaltung: Bescheiden beobachtet er die Gegenstände und Figuren seines Interesses, um in der Collagierung der Bilder und Töne als zärtlicher Komponist sichtbar zu werden. Um Spoon zu paraphrasieren: ein Film, der Herzen und Gedanken öffnet like windows and doors. Jenny Schily, Birgit Gamke, Susanne Heinrich – Jury Lichter Filmfest Frankfurt
Dokumentarfilmwoche Hamburg
Von der Kunst seines Protagonisten war [auch] der Dokumentarfilmer Rainer Komers fasziniert. Der Afroamerikaner Spoon Jackson sitzt seit 1976 wegen Mordes lebens-länglich im Gefängnis. Dort hat er sich in einen gefeierten Poeten verwandelt. In seiner Autobiografie erzählt er von seiner Kindheit und Jugend in einem kleinen Kaff in der Mojave Wüste. In Barstow, California (4. 4., Metropolis) zeigt Komers zu dessen Worten die Wüstenlandschaften seiner Heimat. Von vielen der in seinen Texten beschriebenen Orte sind nicht mal Ruinen übrig. Zwei von Jacksons Brüdern finden an der Stelle, an der einmal sein Elternhaus stand, nur noch ein Stück Plastikrohr und die Stahlfedern einer Matratze. Sie erzählen von der Armut, in der sie aufwuchsen und davon, dass sie plötzliche Fluten in der Wüste nur überlebten, weil sie mit dem Auto auf Hügel flüchteten. Die zugleich sachliche und poetische Art, in der Komers hier US-ameri- kanische Provinz porträtiert (mit Kindern, die auf einem Truppenübungsplatz dazu ermuntert werden, mit riesigen Maschinengewehren zu schießen und der Kundschaft einer Bar in einer Geisterstadt), erinnert an die Filme von Hartmut Bitomsky.
Wilfried Hippen – taz Berlin
Achtung Berlin Preis: »Bester Dokumentarfilm«
Der Film beginnt im Schwarz. Wir hören eine schwere Tür zufallen, ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Eingeschlossen, weggesperrt. Barstow, California nimmt uns mit in die Welt von Stanley »Spoon« Jackson, der uns im Off aus seiner Autobiographie »By Heart« vorliest, geschrieben im Gefängnis, in dem er seit seinem 19. Lebensjahr einsitzt, ohne Aussicht auf Entlassung. Und dann das erste Bild: Endlose Weite. Die kalifornische Mojave-Wüste, Stanley Jacksons Heimat. Wir sehen ein anderes Amerika, als das der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Menschen, denen Regisseur Rainer Komers begegnet, erzählen Geschichten, die mit Alltag und Gewalt, mit Gemeinschaft und Gesellschaft zu tun haben. Hier endet die Route 66 am Horizont. Wir treffen eine Frau, die in einem Motel am Highway arbeitet und davon träumt wegzuziehen, einen Mann, der in seinem Auto lebt, und die Chefin einer Bar, in der es weniger Gäste als Fotos verstorbener Stammkund*innen gibt. Sie alle sind genauso gefangen wie »Spoon«.
Barstow, California ist ein Film, der sich einer eindeutigen Interpretation entzieht und uns doch gekonnt und bewusst führt. Er hat uns eingenommen durch seine sensible Kameraführung, seine kluge Montage, die Menschen und Orte in narrative Zusammenhänge bringt, und durch seine tiefe Menschenliebe. Begründung der Jury Dokumentarfilm – Carlotta Knittel, Tobias Büchner, Verena Neumann
Kasseler Dokfest
Viennale – Vienna International Film Festival
Big Sky Documentary Film Festival / USA
San Francisco DocFest / USA
Film Rezensionen
„Die Geschichten und Menschen, die Komers Film begleiten, erzählen von einem Amerika des Gestern, einer unwiederbringlichen Version, welche teils Gefühle der Nostalgie, teils der Reue und Schuld, aber auch des kleinen Glücks evoziert.“