DIRECTOR’S NOTE
Als ich ein Kind war, in der Nachwendezeit, fuhr mein Vater mit mir in den Rostocker Überseehafen: Schiffe gucken. Ich liebe das Gefühl bis heute, wenn ein Schiff ablegt: Es fühlt sich so an, als würde das Schiff stehen bleiben und man selbst wegtreiben. Als „Rostocker Jung“ war in mir angelegt, was viele Menschen kennen, die am Meer groß werden: Schiffe, Wasser, Wind und Wellen. Der Proberaum meiner Jugendband war nur einen Steinwurf vom Fischereihafen entfernt. Meine Freunde spielten damals Fußball bei „FiKo“ Rostock – Fischereikombinat. Ich bin sicher, keiner von uns wusste, was diese Wörter bedeuteten, obwohl wir sie alle kannten.
Wir wussten nicht, dass diese Namen Synonyme waren für 10tausende Menschen, die ihre ganze Identität an einen Betrieb koppelten, der versuchte, so viel Fisch wie möglich in die DDR zu bringen. Das Fischkombinat ist, wie viele andere Betriebe in den neuen Bundesländern, irgendwie verschwunden – und in der Ambivalenz der Geschichte scheint es schwer sich richtig oder falsch zu erinnern. Also vergisst man. Wer heute einen Menschen unter 30 in meiner Heimatstadt fragt, was das Fischkombinat war – ich bin sicher er würde keine Antwort bekommen.
Ich war 2014 auf den ersten Stammtischen der alten DDR-Hochseefischer. Große Treffen, zum Teil mit mehreren 100 Personen – von Waren über Weimar nach Dresden und Augsburg. Überall trafen sich die alten Matrosen, Kapitäne und Produktionsarbeiter. Ich lernte Menschen kennen, die unisono behaupteten, ihre besten Jahre auf See verbracht zu haben, bevor die Wiedervereinigung sie zwang an Land zu bleiben. So beschworen sie also alle paar Monate bei ihren Treffen die alten Kollektive, die harte Arbeit, (die heute sowieso keiner mehr schaffen würde), das Gefühl auf dem Meer zu sein und vor allem ihre zweite Heimat: Ihre Schiffe. Und so groß der Schmerz darüber all das verloren zu haben: Am meisten kränkt sie, dass man ihnen ihr zweites Zuhause genommen hatte: Ihre Kojen, Maschinenräume, Messen und Brücken. „Wir haben auf See nie ein Schiff verloren“. Diesen Satz hörte ich bei jedem der Treffen – gefolgt von der Erzählung, dass sie nach der Wiedervereinigung eben jene verloren hatten. Ihre Schiffe wurden überwiegend verschrottet, ein paar verkauft und einzelne verblieben in einem Rostocker Nachfolgebetrieb.
Also begann ich die verbliebenen Schiffe zu suchen und fand vier, deren Schicksal in „Vom Traum unsinkbar zu sein“ erzählt wird. Ich war fünf Wochen im europäischen Nordmeer, in spanischen Polizeihäfen, auf Partys im Hamburger Hafen und schließlich in einer dänischen Verschrottungswerft – und wenn ich eins gelernt habe, dann dass die Geschichten, der Schiffe hunderte Seiten füllen könnten, aber am Ende bleibt der Stahl und der Rost.
Das Fischkombinat ist für mich ein Symbol für den einen riesigen Arbeitgeber, der viele Orte in Deutschland prägte, Identitäten schliff und dann irgendwann verschwand. Egal ob Zeche, Fabrik oder Hafen. Die Aufgabe die Geschichten dieser Orte zu erzählen, liegt bei meiner Generation – denn die Zeugen schwinden. Ich könnte heute denselben Film nicht noch einmal drehen: Viele der alten Seeleute, die mir ihre Geschichten erzählten, sind längst verstorben, die Hälfte unserer begleiteten Schiffe verschrottet.